Fallbeispiel einer ziP Adhoc-Analyse

Die Aufgabe: Erkennen der Fehlerquelle bei der Herstellung von Präzisionsschrauben 

Ausgangssituation 

Ein Hersteller von Präzisionsschrauben erhält mehrfach sehr ernst zu nehmende Reklamationen: Sein Premiumkunde hat den Bruch der Produkte noch innerhalb der zugelassenen Anzugsdrehmomente nun schon wiederholt gemeldet. Die Fälle werden an die Fachabteilungen weitergeleitet, um die Ursache des Problems zu suchen. Nachdem man auch nach Wochen intensiver Suche dem Problem nicht auf die Spur kommt, bekommen wir die Gelegenheit, uns auf der Basis vorliegender Produktionsdaten mit dem Thema auseinanderzusetzen.

 

In 3 Stufen zu einer ungewöhnlichen Lösung des Problems

 

1. Das Kunden- bzw. Expertengespräch: Sammeln von Fakten und Vermutungen

Der Kunde formuliert, was er über sein Produkt gerne wissen möchte. Unter Einbeziehung der Fachleute aus dem jeweiligen Umfeld werden Vermutungen und Fakten eingesammelt, etwa im Rahmen eines Workshops. In dieser Phase wird es vermieden, Meinungen zu zementieren: Alles ist offen und erlaubt, auch unwichtig erachtete Einflussgrößen werden gesammelt und an die nächste Stufe „Daten sammeln“ weitergereicht.

2. Die Datensammlung: Über alle System- und Plattformgrenzen hinweg

Die für eine Analyse erforderlichen Daten sind als heterogene Mischung von Schichtdaten, Produktionszetteln und ERP Informationen (Einkauf, Qualität) auf verschiedenen Plattformen verteilt und müssen zur Lösung des Problems zunächst zusammengeführt werden.

Diese Arbeit erfolgt „von Hand“, denn MES oder BDE Systeme sind für die vorliegende Aufgabenstellung zu grob strukturiert und helfen nur bedingt weiter. Die Chargennummern der gemeldeten Fehlerprodukte werden mit den dazugehörigen Produktionsläufen ermittelt. Dazu kommen Maschinendaten (Rezepte, Einstellungen), Wetterdaten, sowie Handaufzeichnungen. Etliche Datenexporte sind individuell zu erstellen.

Die Ergebnismengen sind in Format und Granularität sehr unterschiedlich: Die Daten müssen also in verschiedenen Verdichtungs- und Anpassungsstufen einander „angeglichen“ werden (Produktions- und Kundenauftragsnummer passen nicht zusammen und müssen über Zusatztabellen identifiziert werden).

Am Ende dieser Stufe steht nun eine Tabelle mit ca. 30 Zeilen (Aufträgen) und 40 Spalten (Merkmalen), die nun untersucht und interpretiert werden kann.

3. Die Analysesitzung: 90 Minuten spannende Erkenntnisse – und eine Fehlerquelle fernab jeglicher Vermutung

Hier einige der Hypothesen aus dem Workshop, die zuerst untersucht werden:

  • Rohmaterial: Kommen spezielle Lieferanten / Materialarten als Fehlerrisiko in Frage?
  • Artikelabhängigkeiten: Sind spezielle Abmessungen besonders betroffen?
  • Zeitliche Abhängigkeiten: Gibt es Zeiträume, bei denen das Problem vermehrt auftritt?
  • Maschinen: Wie verteilt sich der Fehler auf unterschiedliche Maschinen (mit getrennter Bewertung nach Typ, Hersteller, individuelle Maschine) ?
  • Werkzeuge: Sind Abhängigkeiten von der Werkzeuglebensdauer erkennbar?
  • Rüstzeiten: Treten Fehler in Kombination mit Umrüstungen auf?
  • Schichten: Gibt es unterschiedliche Risikohäufigkeiten?

 

Die Analysesitzung, an deren Ende das Problem identifiziert und der Lösungsansatz beschlossen ist, dauert nur ca. 90 Minuten. Es ist dabei immer wieder beeindruckend, wie Fragestellungen, die ein Unternehmen über Monate oder auch Jahre beschäftigt haben auf den kleinsten Nenner gebracht werden und innerhalb von Minuten plötzlich einfach und transparent wirken.

Die Lösung: Fernab jeglicher Vermutung

Die im Workshop von den Experten genannten Merkmale liegen weder an vorderster Position, noch sind sie auffällig in der Zuordnung zu den reklamierten Produkten. Es ist also keine der vermuteten Fehlerquellen allein am reklamierten Fehler beteiligt.

Die Datenanalyse ergibt den klaren Hinweis auf die Beteiligung einer speziellen Halle am Produktfehler: Weit über 80% der reklamierten Produkte sind hier gefertigt worden, quer über alle Maschinen, Schichten, Materialien usw. hinweg. Nach Bekanntwerden dieses Zusammenhangs ist die Erklärung auch schnell, genauer, nach einem einzigen Telefonat gefunden: In der betroffenen Halle verwendet der Hersteller baulich bedingt einen Zwischenpuffer, bei dem unbehandelte Metalloberflächen für kurze Zeit einem erhöhten Oxidationsrisiko ausgesetzt sind. Nachfolgende Werkstoffanalysen im Labor bestätigen den Verdacht. Ab hier ist es nur noch ein kleiner Schritt, das Problem zu beseitigen.

Resümee

Manchen Fehlergründen (wie im vorliegenden Beispiel) könnte man mittels sorgfältiger Beobachtung auch ohne uns auf die Spur kommen. Doch spielt der Zufall hier eine große Rolle, denn wer verfällt schon auf die Idee, ein abseitiges Merkmal wie die Fertigungshalle zu überprüfen, wo doch eigentlich "alles" gegen eine solche Vermutung spricht?